Interview der Mainpost zum Album „SIX“ vom 25.11.2020
Vielen Dank an Mathias Wiedemann
Jochen Volpert: Wer Gitarre spielt, landet immer beim Blues
Ein Gespräch über den Blues, die Pandemie und den ganzen Rest: Der Gitarrist bringt zum 1. Dezember sein neues Album heraus – schon das zweite im Corona-Jahr 2020.
Jochen Volpert gehört zu den bekanntesten Gitarristen nicht nur Unterfrankens. Verwurzelt im Blues, jongliert er scheinbar mühelos mit allen Genres handgemachter Popularmusik. Viele Jahrzehnte spielte er in unterschiedlichsten Bandkonstellationen auf der Bühne und im Studio. Mit seiner Frau Carola Thieme macht er als Duo Thieme.Volpert lässigen Jazz mit Tiefe. Zum 50. Geburtstag im Jahr 2013 schenkte er sich und seiner wachsenden Fangemeinde sein erstes eigenes Album: „Session 50.1“. Seither sind fünf weitere gefolgt, im Pandemie-Jahr 2020 gleich zwei davon: „Mister X“ erschien im Februar, kurz vor dem ersten Lockdown, am 1. Dezember kommt das neueste Werk, „Six“. Es ist brillant. Das erste rein instrumentale Album mit ausschließlich eigenen Songs. Jochen Volpert pur, wenn man so will. Höchste Zeit also für ein Gespräch über den Blues, die Pandemie und den ganzen Rest.
Frage: Wie genervt bist Du gerade von der Pandemie?
Jochen Volpert: Eigentlich geht’s. Gut, zur Zeit können wir nicht spielen, aber ich flüchte mich dann immer in Ironie und Sarkasmus. Ich habe ja zu Hause die Möglichkeit, im Studio rumzumachen. Langweilig wird’s mir nicht. Und: Ich mache mehr Sport. Seit März bin ich jeden zweiten Tag an der frischen Luft und jogge. Irre, oder?
Wahnsinn… Du hast 2020 schon zwei CDs rausgebracht – die Krise hat Dich also nicht so gelähmt, wie das anderen Musikern passiert ist?
Volpert: Natürlich fehlt es mir auch, Leute zu treffen und zu jammen. Aber es hat mich nicht in eine tiefe Depression gestürzt. Ich habe den ersten Lockdown ab März genutzt, um ein Projekt umzusetzen, das ich immer schon mal machen wollte: eine CD mit eigenen Songs ohne Gesang. Meine Frau Carola Thieme, die sonst in der Band singt, hat gesagt: Da hast Du den Laptop, mach mal! Ich habe dann halt angefangen, und es ist total gut gelaufen. Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl, wie Andy Möller sagen würde. Es ist nur so aus mir rausgeflossen, und ruckzuck waren die neuen Stücke aufgenommen.
„Ich war sonst immer der Gitarren-Buddy von irgendwelchen anderen Leuten.“
Jochen Volpert über den Weg zum ersten eigenen Album
Was hat man sich unter „ruckzuck“ vorzustellen?
Volpert: Ich habe jeden Tag einen Song gemacht, das heißt, die Ideen auf dem Laptop festgehalten. Und dann ging die Arbeit erst richtig los, arrangieren und so weiter. In diesen Zeiten kann man sich nicht einfach mit fünf anderen Leuten ins Studio setzen. Ich habe meine Spur dem Schlagzeuger Jan Hees geschickt, der das alles auch gemischt hat. Der hat mir die Schlagzeugspuren draufgeknallt. Dann wurde das bei mir eingebaut, und dann habe ich es wieder weitergeleitet an Achim Gössl, der die Keyboards spielt, und so weiter. Das hat natürlich alles gedauert. Man sollte, meinen, durch die Pandemie hätten alle mehr Zeit, aber die Profis sind studiomäßig ziemlich eingespannt. Dann musste alles noch gemischt werden und gemastert, das CD-Cover hat meine Frau Carola gestaltet, die eine Werbeagentur betreibt.
Ich habe das Gefühl, dass Du auf dieser CD so richtig bei Dir angekommen bist.
Volpert: Nachdem ich den Hut auf hatte und mich nicht nach Carola richten musste, die ja sonst auch eigene Songs schreibt und alle Texte… Das hört sich jetzt seltsam an, aber ich meine es gar nicht so. Es ist ja logisch, dass sie sonst auch ihren Stempel aufdrückt. Das klingt dann natürlich nicht mehr nach einer reinen Gitarren-CD, und das hat auch seinen Reiz. Ob ich jetzt aber angekommen bin, weiß ich nicht, weil ich gerade schon wieder mit der nächsten CD anfange. Die Entwicklung geht weiter, denke ich.
Du machst seit 40 Jahren Musik. Hast Deine erste eigene CD aber erst mit 50 aufgenommen. Bist Du ein Spätentwickler?
Volpert: Was das angeht, natürlich schon. Ich war sonst immer der Gitarren-Buddy von irgendwelchen anderen Leuten. In den letzten Jahren vor meinem 50. Geburtstag habe ich mir immer wieder gedacht: Ich habe so viele Ideen, warum muss ich eigentlich immer nur das Zeug von anderen Leuten spielen? Es gehört ja zur Entwicklung eines Musikers, sich irgendwann abzunabeln und sein eigenes Zeug zu machen. Es war spät, aber lieber spät als nie. Und seitdem läuft’s ziemlich gut. Ich bin im Auftrittsbereich gut dabei. Jetzt gerade natürlich nicht.
Ihr habt ja beide neben der Musik noch Brotberufe. Also trifft Euch die Pandemie vielleicht nicht so hart wie Kollegen, die nur von ihrer Musik leben?
Volpert: Das ist korrekt. Und natürlich habe ich tiefes Mitgefühl für die Leute, die nur davon leben, live zu spielen. Das ist furchtbar. Andererseits habe ich über die letzten Jahre sehr viel Geld für meine CDs ausgegeben und damit eben auch Künstler unterstützt. Ich bezahle aus Prinzip jeden Musiker angemessen. Früher haben Leute immer wieder zu mir gesagt, Jochen, sei froh, dass Du auf meiner CD spielen darfst. Und da kriegste dann natürlich kein Geld – das hasse ich wie die Pest. Wenn einer einen guten Job abliefert, hat er auch verdient, ordentliches Geld zu kriegen. Ich bezahle sogar meine Ehefrau für das Cover, weil ich nicht möchte, dass sie Stunden und Tage umsonst arbeitet. Das gehört sich einfach nicht.
„40 Jahre dengeln, die Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen.“
Jochen Volpert
Geld ist zur Zeit leider häufig ein Thema.
Volpert: Ja, leider. Ich hatte neulich einen riesen Streit mit einem bekannten Musiker, der mir vorgeworfen hat, ich hätte ja einen Bürojob und würde den Berufsmusikern das Brot wegnehmen. Das finde ich unverschämt, jeder kann selbst entscheiden, wie er sein Geld verdienen will. Ein Berufsmusiker, der das meiste Geld mit unterrichten verdient – darf der dann auch nicht mehr auftreten? Und wenn ein Musiker Geld mit Taxi fahren verdient, nimmt er dann einem Berufstaxifahrer die Arbeit weg? Wo geht das los, wo hört es auf? Ich habe mehr Konzerte gespielt als mancher sogenannte Berufsmusiker. Das ist natürlich kein Kriterium dafür, wie gut einer ist, aber 40 Jahre dengeln, die Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen.
Die neue CD klingt extrem gesanglich, jede Menge schöne Melodien. Hast Du Dir das diesmal extra vorgenommen?
Volpert: Eine reine Gitarren-CD ist ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Ich selber singe ja nicht, ich habe auch nicht das Bedürfnis. Das macht meine Frau viel besser, von ihr habe ich auch gelernt, Melodien zu spielen. Ich will als guter Gitarrist in Erinnerung bleiben und nicht als schlechter Sänger. Rumfuddeln mit jeder Menge Soli kann man auf der Gitarre ganz leicht. Aber das interessiert mich nicht. Ich habe versucht, möglichst gerade durchzuspielen, ohne viele Schnitte und Basteleien. Dazu habe ich mir Melodielinien überlegt, die mir logisch vorkamen. Und dabei ist eben die Gitarre meine Gesangsstimme.
Auf der CD dominieren Vintage-Sounds und Songs, die ein wenig wie die Rekapitulation der Klangwelten klingen, mit denen wir so aufgewachsen sind. Funk, Soul, Westcoast und Blues natürlich.
Volpert: Ich bin nicht so der esoterische Typ, ich denke nicht in Kategorien wie „Klangwelten“. Aber ich bin sehr gefühlsbetont, und die unterschiedlichen Stimmungen der Tage haben sich natürlich niedergeschlagen. Ich habe aber darauf geachtet, dass ich auf keinen Fall in eine Art Corona-Depressions-Gedengel gerate. Ein Beispiel: Ich liebe alte Soul-Platten und dachte, in die Richtung möchte ich mal was machen. Da ist dann „For Your Soul“ herausgekommen. Der Song macht mir jedesmal gute Laune, wenn ich ihn höre.
Für Blues- und Rockfans gab es ein paar harte Jahrzehnte. Nur Synthie-Pop und Computerklänge. Seit einiger Zeit aber scheint mir, dass handgemachte Musik wieder beliebter wird. Wie ist Deine Beobachtung?
Volpert: Komischerweise habe ich auch das Gefühl. Musik ist für mich immer der Versuch, Gefühle auszulösen. Natürlich kannst Du toll zu irgendeinem Dance-Hit tanzen, aber die Leute wollen anscheinend eben doch auch mal Gefühl. Sobald Du Gitarrenmusik machst, bist Du irgendwo beim Blues. Und das ist eben die Musik schlechthin, die Gefühle ausdrückt.
Jochen Volpert: „Six“: Das Album als CD ist ab 1. Dezember für 15 Euro (plus 2 Euro Versand) unter info@jochenvolpert.de erhältlich und unter allen gängigen Streaming- und Versandportalen.